Info Nr. 73
22.1.2024 Smolle – Karl Smolle erhält den 45. Tischler-Preis, benannt nach dem Obmann des Rates der Kärntner Slowenen (NSKS). Joško (Josef) Tischler wurde vom slowenischen kommunistischen Geheimdienst UDBA als „ehemaliger Mitarbeiter“ geführt.1 Mit dem Tischler-Preis werden/wurden auch Mitarbeiter des ehemaligen kommunistischen Geheimdienstes Udba ausgezeichnet.
1.1. Karl Smolle
Smolle gehörte zu den Hauptakteuren des Jahres 1972, als sich der Rat (NSKS) von der Politik der Kooperation mit der ÖVP verabschiedete. Bei dieser politischen Neuorientierung wurden die Jungen (Karl Smolle, Filip Warasch und Matevž Grilc) von Joško Tischler und Vinko Zwitter unterstützt. „Die Funktion eines NR-Abgeordneten half mir sehr, als ich der Republik Slowenien dabei behilflich war, einen eigenständigen Staat zu entwickeln. Dabei war mir eine große Stütze auch Borut Sommeregger, ebenso aber auch die Gruppe mit Marjan Pipp, Rudi Vouk, Richard Grilc und seine spätere Frau Sabine Zwitter“, so Smolle.2
Smolle: „Dimitrij Rupel und Lojze Peterle haben mich im Jahre 1990 in Draga gefragt, ob ich bereit wäre, sozusagen als ein verlängerter Arm Wiens für den entstehenden neuen Staat Slowenien zu wirken. Dieses Angebot nahm ich sofort an, als aber das Mandat Ende 1991 zu Ende war, erhielt ich von der Peterle-Regierung das Dekret, die Regierung Sloweniens in Österreich zu vertreten. Das tat ich mit Zustimmung der österreichischen Seite. (…) So konnte mir auf das rechte Ohr Slowenien etwas sagen und ich sagte es Alois Mock weiter. (…) Das war das Glück, das Slowenien hatte. Ich befand mich zufällig an der Stelle, die Slowenien benötigte. (…) Was mir aber als Vertreter Sloweniens nicht gelang war, die Frage der slowenischen Minderheit so in die slowenische Außenpolitik zu verankern, wie es diese Frage verdient hätte“.
Am 8.6.1988 fand im Parlament die Abstimmung über die Novelle zum Minderheitenschulgesetz ab.
Als Karl Smolle seine Rede hielt, warfen Sloweninnen Flugblätter von der Galerie in den Plenarsaal und demonstrierten für ein zweisprachiges Schulwesen in Kärnten. Dabei waren auch die Mutter und die Großmutter der NR-Abgeordneten Olga Voglauer (Grüne). Die Novelle habe den schulischen Alltag wesentlich verändert. Dies zum Besseren, wie man heute weiß, so Olga Voglauer.3 Karel Smolle schlug in seiner Dankesrede unter dem Titel „Mein Testament“ einige Lösungen vor. Bis zur Realisierung seiner Punkte werde es aber etwas länger dauern:
1. Gegen die Arbeit ist kein Kraut gewachsen.
2. Jedem Kind in Kärnten, welches es wünscht, müssen wir vom Kindergarten bis zur Hauptschule die Betreuung in slowenischer Sprache anbieten.
3. Wir müssen ein Netz von fachkundigen Initiatoren erstellen, die für die Jugend in jedem Dorf Gesprächsmöglichkeiten in slowenischer Sprache anbieten.
4. Gemeinsam mit Slowenien müssen wir ein eine frei gewählte demokratische Vertretung aufstellen.4
1.2. Angelika Mlinar
Nach Karel Smolle wurde die Kärntner Slowenin Angelika Mlinar Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat und danach österreichische EU-Abgeordnete. Auch sie trat in die Dienste des Mutterstaates Slowenien, wurde Ministerin und ist auch derzeit für den slowenischen Staat in der Diplomatie tätig. Sie sitze in Slowenien nicht als Einzelperson, sondern auch als Repräsentantin der slowenischen Volksgemeinschaft (narodna skupnost), so Mlinar.5 „Es ist mir eine große Ehre, dass ich heute als erste Angehörige der slowenischen Volksgruppe in Kärnten Ministerin der slowenischen Regierung geworden bin“, sagte Mlinar im slowenischen Parlament. Sie nannte ihre Bestellung eine „große Anerkennung“ für alle Slowenen, die außerhalb des slowenischen Staatsgebietes leben. Gleich nach dem Votum legte Mlinar den Eid ab: „Ich gelobe, dass ich die verfassungsmäßige Ordnung achten, nach eigenem Gewissen handeln und alle Kräfte für das Wohl Sloweniens einsetzen werde“.6
Angelika Mlinar: „Als Kärntner Slowenin weiß ich, was der Kampf für Slowenien und für das Slowenentum bedeutet“.7
Mlinar musste für „ihre Zerrissenheit zwischen zwei Welten“ einiges einstecken. Sie sei zerrissen zwischen dem bisherigen österreichischen Neos-Kosmos, der ihr fünf Jahre ein nettes Salär als EU-Abgeordnete garantierte, und der nunmehrigen slowenischen Parlamentswelt, kritisierte Fritz Kimeswenger.8 Das sei keine Kohäsion, sondern eine Provokation allen voran der Kärntner Bevölkerung. „Wo ist da der Aufschrei der Medien und der Parteien“, fragt ein Kommentator.9
Der slowenische Politiker Miro Petek berichtete, dass er von Angela Mlinar gemeinsam mit Karel Smolle im slowenischen Parlament besucht worden sei. Petek fungierte damals als Vorsitzender der Parlamentskommission für die Grenzauslandsslowenen. Er kenne Frau Mlinar persönlich.
„In Kärnten sind auch solche, die wir als Berufsslowenen bezeichnen und denen die Zugehörigkeit zur slowenischen Volksgruppe ein gutes Geschäft bedeutet. Die echten Slowenen im österreichischen Kärnten erkennen diese natürlich sofort, sie kennen diese gut und wissen von ihnen nicht viel Gutes zu berichten. Die Slowenen im österreichischen Kärnten, die die historische Erinnerung nicht verlassen hat, wissen genau, wer von den wichtigen Minderheitenfunktionären mit der Udba kooperiert hat und wer wegen der Kooperation mit der Udba in die Position eines Berufsslowenen gekommen ist“, so Petek kryptisch. Petek: „Wie wird die doppelte Staatsbürgerin die geheimen Dokumente des slowenischen Staates, diplomatische Depeschen und die Berichte des Geheimdienstes Sova lesen, ist aber eine andere Geschichte“.10
1.3. Olga Voglauer
Auch die derzeitige NR-Abgeordnete, Olga Voglauer, ist nicht nur mit den slowenischen Organisationen, sondern auch mit den Repräsentanten der Republik Slowenien in ständigen Kontakten.11 Bereits am Tag der Angelobung der österreichischen Bundesregierung berichtete sie im slowenischen Fernsehen von der Kooperation mit der ÖVP.12 Die Grün-Abgeordnete war im März 2020 auf „Staatsbesuch“ in Laibach. Sie hatte eine persönliche Einladung von Staatspräsident Borut Pahor, auch weil Voglauer die einzige Kärntner Slowenin im Parlament in Wien sei. Im Gespräch ging es um eine bessere politische Vernetzung. Pahor hatte im Vorfeld signalisiert, an Projekten der Kärntner Slowenen interessiert zu sein. Über die Intensivierung von grenzüberschreitenden Projekten sprach Voglauer in ihrem zweiten Laibach-Termin mit Landwirtschaftsministerin Aleksandra Pivec, berichtete Andrea Bergmann.13
„Die Kärntner Volksabstimmung 1920 ist kein Feiertag. (…) Es gibt keine Gründe zum Feiern“, ist die Position der Grün-Politikerin Voglauer. In einem Interview mit dem slowenischen öffentlichen RTVSLO kritisierte die österreichische Abgeordnete die Kärntner Minderheitensituation sehr: „Gefordert wird eine öffentlich-rechtliche Vertretung der Volksgemeinschaften (narodna skupnost). Es müsste selbstverständlich sein, dass wir in Klagenfurt ein slowenisches Wirtschaftsleben und Tourismus vorfinden. (…) Die Genossenschaft ist nicht mehr in slowenischen Händen, die Sparkasse ist nicht mehr in slowenischen Händen, es gibt wenige slowenische Unternehmen. Man spürt die slowenische Wirtschaft nicht mehr. (…) Noch heute tut es mir leid, dass ich nicht in Laibach das Gymnasium oder die Handelsakademie besucht habe. (…) Warum sollten einander die beiden Staatspräsidenten hier (im Rahmen der Volksabstimmungsfeier 2020 in Kärnten) treffen, wenn es keine Gründe zum Feiern gibt. (…) Schöne Grüße an alle in Slowenien. Und bedenkt anlässlich des 100. Jahrestages der Volksabstimmung, dass ihr nach Celovec und nicht nach Klagenfurt, nach Beljak und nicht nach Villach kommt. Ihr fährt in Mokrine und nicht am Naßfeld Schi. Das wird mich immer beglücken“.14
1.4. Loyalität
Angelika Mlinars Loyalität gegenüber dem slowenischen Staat und ihr Nationalbewusstsein wurde von einigen Abgeordneten in Frage gestellt. Zu dieser Frage stellte der slowenische Regierungschef Marjan Šarec fest, dass Mlinar „eine Slowenin mit Herz und Seele“ sei. „Allerdings war sie österreichische Staatsbürgerin, weil 1920 die Kärntner Volksabstimmung stattfand, mit der wir diesen Teil des Gebietes verloren haben. Deshalb lebt Angelika Mlinar auf der anderen Seite der Grenze“ sagte der Premier.15
Es stellt sich aber auch die Frage nach der Loyalität gegenüber dem Staat Österreich. Wie würde Österreich reagieren, wenn andere österreichischen Politiker und Politikerinnen anderer österreichischer Minderheiten oder Politiker mit Migrationshintergrund früher oder später ihre Loyalität gegenüber ihren Mutterländern bzw. ehemaligen Heimatstaaten zum Ausdruck bringen würden?
1 In der Udba-Evidenz hat Joško Tischler die Kennzahl 55.000 (= Chiffre für ehemalige ordentliche Mitarbeiter), Quelle: Titos langer Schatten, S. 46.
2 Novice, 12.1.2024, S. 2, 3.
3 Nedelja, 14.1.2024, S. 4-7.
4 Nedelja, 28.1.2024, S. 13.
5 Novice, 26.1.2020, S. 4.
6 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/stories/3026976/, 20.12.2019.
7 https://reporter.si/clanek/slovenija/angelika-mlinar-kot-koroska-slovenka-vem-kaj-po…, 5.5.2019.
8 Kronen Zeitung, 28.12.2019, S. 22.
9 Klaus Pöckh, Kronenzeitung, 2.1.2020, S. 32.
10 Demokracija, 19.12.2019, S. 74.
11 Novice, 6.3.2020, S. 5.
12 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3029023/, 8.1.2020.
13 KZ, 3.3.2020, S.18.
14 www.rtvslo.si/svet/europa/koroska-sloven…, 18.7.2020.
15 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/stories/3026976, 20.12.2019.